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Event Pics - YES - they played in Zürich (14.05.2014)

YES - Auf dem Olymp des Progressive Rock

Wie viele Bands der späten 60er Jahre sind heute noch existent, geschweige denn relevant und erfolgreich? Die Rolling Stones sind sicherlich nach wie vor erfolgreich. Über ihre heutige Relevanz ließe sich wohl lange streiten. Rush, die Prog-Könige aus Kanada, die noch heute große Stadien ausverkaufen. Zweifellos. Vielleicht noch eine Handvolle andere, und da sind da noch Yes, für viele die stilbildendste Progressive Rock Band überhaupt. Obwohl während ihrer bereits 45 Jahre andauernden Karriere zahlreiche Besetzungswechsel zu bewältigen waren, ist die Band noch heute aktiv und eine Hausnummer in der Szene. Das 21. Studioalbum "Heaven & Earth" erscheint diesen Juli und wird das erste sein, auf dem der neue Sänger Jon Davison (Glass Hammer) zu hören sein wird. Nur wenige Wochen vor dem Beginn der Welttournee 2014 waren die Briten noch Headliner auf der Prog-Kreuzfahrt "Cruise to the Edge" durch die Karibik, der Namen eine Anspielung auf ihr wichtigstes Prog-Alben überhaupt. Nach dem Auftakt in der englischen Heimat und Paris ist am 14. Mai das Zürcher Volkshaus an der Reihe. Mit dem mehr als nostalgieträchtigen Konzept, die drei legendären Alben „Close to the Edge“ (1972), „Going for the One“ (1977) und „The Yes Album“ (1971) in ihrer gesamten Länge aufzuführen.

Für die meisten der schätzungsweise rund 900 Besucher dürfte der Abend eine Reise in die Vergangenheit, die eigene Jugend gewesen sein. Das Durchschnittsalter liegt jenseits der 50 Jahre, auch wenn durchaus jugendliches Publikum anwesend ist. Für den Autor dieser Zeiten ist es tatsächlich eine ungewöhnliche, fast etwas bizarr anmutende Zeitreise zurück vor die eigene Geburt. Rund 10 Minuten verspätet beginnt der Konzertabend mit einer Video-Projektion durch die Bandgeschichte mit alten Fotos, Albumcovern und Zeitungsausschnitten, musikalisch bombastisch untermalt von Stravinskys 'Firebird Suite'. Dann betreten unter Applaus die fünf Herren im Pensions-Alter die Bühne und ohne weiteren Worte geht es los mit dem Titeltrack von "Close to the Edge", immer noch eines der absoluten Meisterwerke der Band. Was neben der Leinwand vor allem ins Auge fällt ist das umfangreiche Equipment von Keyboarder Geoff Downes. Nicht weniger als neun Tasteninstrumente auf drei Racks, dazu Monitore und blinkende Technik stehen rund um den 61jährigen verteilt.

Der zweite Titel 'And You And I' ist melodiöser und weniger psychedelisch-hypnotisch als der Opener, aber keineswegs weniger meisterhaft. Gitarrist Steve Howes Gitarre klingt zunächst fast wie ein Cembalo, später wie ein klassische Folk-Gitarre, das Publikum klatscht begeistert im Rhythmus der asiatischen Zimbeln von Schlagzeuger Alan White mit. In der zweiten, folkigen Hälfte kommt erstmals Howes Pedal-Steel zum Einsatz und Bassist Chris Squire spielt Mundharmonika. Das Keyboard pfeift und jault in meditativen Sphären und das Publikum lauscht gebannt. 'Siberian Karthu' ist bereits das letzte und mit knapp neun Minuten auch kürzeste Stück, gleichzeitig die konventionelleste Komposition des berühmten Albums. Die Rhythmen grooven traditionell, der hohe Gesang von Davison, Squire und Howe dominiert neben dem Keyboard das Stück. Gegen Ende streut Howe noch lässig ein bluesiges Solo ein und dann ist der erste, atemberaubende Teil des Konzertabends auch schon vorbei.

Nach knapp 40 Minuten begrüßt das einzige verbliebene Gründungsmitglied Chris Squire das Schweizer Publikum mit dem Kommentar, daß soeben "Close To The Edge" das erste Mal chronologisch und vollständig in der Eidgenossenschaft gespielt wurde. Unter Applaus übergibt er an Gitarrist Steve Howe und damit zum fünf Jahre später aufgenommenen "Going For The One", bereits das achte Album der Band seit ihrer Gründung neun Jahre zuvor! Howe verliert nur wenige Worte: "Leute, dieses Album spiegelt wider, wo unsere Wurzeln liegen: Im Rock n Roll!" Der Titeltrack hat einen fantastischen Blues-Groove, der direkt ins Bein geht. Tatsächlich ist dieses Album vermutlich das für den Mainstream ansprechendste Album der frühen Yes-Phase. Die langsame Ballade 'Turn Of The Century' ist die perfekte, schaurig-schöne Vermählung von Gesang, Keyboard und akustischer Gitarre. 'Parallels' hat wieder den beschwingten, bluesigen Groove und Bassist Squire hält wie ein gemütlich-ergrauter Biker-Brummbär mit einem verzückten Lächeln sein Instrument. Das Stück ufert genialistisch aus und die musikalische Klasse jedes einzelen Bandmitglieds wird faszinierend greifbar. 'Wonderous Stories' ist erneut ein eingängiger Hitparaden-kompatibler Titel, von Howe mit Mandoline und Sänger Jon Davison an der Akustik-Gitarre kongenial präsentiert.

Den Album-Abschluss bildet das 15-minütige 'Awaken' von dem viele Fans und Musik-Kritiker sagen, es wäre das beste Stück Musik, das die Band je geschrieben habe. Es ist wahrhaftig ein Diamant der Rockmusik, beginnt aber mit einem Pianor-Intro, das auch von Franz Liszt sein könnte. Schnell entfaltet sich das Stück mit begeisternden Gitarren und Keyboards zu einem imposant epischen Rock-Klassiker. Howe steht an der Seite an seiner Pedal-Steel-Gitarre, die Becken von Drummer Alan White scheppern ekstatisch und Chris Squire bringt unter begeistertem Applaus seinen dreihalsigen Bass auf die Bühne. Auch wenn Sänger Jon Davison einen soliden Job macht, seiner Stimme fehlt es bei dem durchgehend hoch gesungenen Stück an der Variablität, die Ur-Sänger Jon Anderson auf dem Original-Album beigesteuert hatte. Die Keyboards klingen in der Mitte dann wie eine bedrohliche Orgel, während Davison auf einem zweiten Keyboard ein Glockenspiel imitiert. Im Hintergrund sind phantastische Felssäulen aus den Cover-Artworks von Roger Dean projiziert, während Davison weiter mit seiner hohen, klaren Stimme singt und Keyboarder Geoff Downes mit kräftigem Pinselstrich sphärische Keyboard-Landschaften malt. Was für ein Song und zweifellos der beste Zeitpunkt, für die Unterbrechung des Konzerts für 20 Minuten. In der Pause sieht man Alt-Rocker Joints bauen. Entspannung ist angesagt, und gleichzeitig ein angeregter Austausch des bisher gehörten.

Unglaublich, daß nur ein Jahr zwischen "Close To The Edge" und "The Yes Album" liegt bzw. welche Entwicklung die Band in von 1969 bis 1972 auf fünf (!) Alben machte. Der Opener 'Yours Is No Disgrace' ist wie auch die anderen Stücke noch viel stärker im traditionellen 60er-Rock verwurzelt, wenngleich alle Merkmale von Yes schon eindrucksvoll vorhanden sind. Dieses Album markiert den Übergang der Band vom Rock zum Progressive Rock mit Elementen beider Phasen. Der hohe Gesang, die wundervolle Keyboard-Arbeit und rockige Riffs und Soli von Howe, der ab diesem Album der Band angehörte, sind eindeutig Yes. Beim zweiten Stück, dem vom Ragtime und Country-Blues inspirierten 'Clap' ist Howe alleine mit seiner Gitarre und einem Stuhl, die ansonsten dunkle Bühne nur von einem einzelnen Spot auf Howe beleuchtet. Mit seinem langen, grauen Haar mit Halbglatze, der Brille und dem hageren Gesicht wirkt der Star-Gitarrist wie ein zerbrechlicher Magier, der statt eines Zauberstabes seine Gitarre dabei hat.  Von Gebrechlichkeit zeigt der Saiten-Zauberer allerdings keine Anzeichen: Nach dem beeindruckenden Fingerstyle-Geklimper von Howe ist der Jubel des Zürcher Publikums schrankenlos, danach herrscht kurz fast andächtige Stille, bevor der Rest der Band wieder die Bühne betritt.

Der Jubel hält auch beim folgenden 'Starship Trooper' an, das Publikum hebt sprichwörtlich gemeinsam mit der Band ab. Vom futuristischen Keyboard-Auftakt über den folkigen Mittelteil, den Howe mit einer zweiten akustischen Gitarre auf einem Ständer bestreitet bis zum bombastischen Ende: Ein weiterer Klassiker der Bandgeschichte, der zu Recht vom Publikum gefeiert wird. Mit 'Perpetual Change' erreicht die Dramaturgie der einzigartigen Konzert-Inszenierung ihren endgültigen Höhepunkt und gleichzeitig den thematischen Brückenschlag zurück zu 'Yours Is The Disgrace'. Zum Ende des Songs stellt Squire "seine" Band unter großem Applaus nochmals vor - und dann ist ein gelungener Prog-Rock-Abend beinahe zu Ende. Beinahe, denn die fünf Herren zelebrieren als Zugabe noch 'Roundabout' von "Fragile", einem weiteren Meilenstein der Bandgeschichte. Das ist Progressive Rock in seiner reinsten Essenz, geprägt von der beeindruckenden Tasten-Kompositionen des bei diesem in die Band eingestiegenen Rick Wakeman. Hier ist noch einmal alles dabei, wofür Yes zu Recht zu den Größten des Genres zählen: Vielseitiges Gitarrenspiel, verspielte, abwechslungsreiche und hochkomplexe Kompositionen und Musiker der absoluten Spitzenklasse, perfekt als Band zusammenspielend. Auf der Leinwand im Hintergrund umkreist das Weltraum-Segelschiff des Fragile-Albumcovers den blauen Planeten, während Howe, White und Downes zu einer groovenden Einheit verschmelzen. Das Publikum genießt den Abschluß des Abends nochmals, klatscht begeistert den Rhythmus mit, jubelt und pfeift, als sich die Meister des Prog mit einer Verbeugung nach knapp drei Stunden endgültig verabschieden. Ja, der Eindruck vom Beginn hat sich bestätigt. Das war wahrhaftig eine Reise in einer andere Zeit, ja in eine andere Welt!

Setliste (Zürich, Volkshaus, 14. Mai 2014):

Close to the Edge, And You and I, Siberian Khatru, Going for the One, Turn of the Century, Parallels, Wonderous Stories, Awaken, Yours Is No Disgrace, Clap, Starship Trooper, I've Seen All Good People, A Venture, Perpetual Change

Bonus: Roundabout

 

Text: Daniel Frick (Whiskey-Soda, Webzine)

Photos: Daniel Strub (www.great-moments.ch)

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